Münchner Merkur vom 20.Juli 1965, Starnberger Teil -

"Kalif von Bagdad bei Leutstettens Feuerwehr" - Sie besteht seit hundert Jahren.

Ein Jubiläumsfest von Format - Paul Ernst Rattelmüllers Glanzstückl Starnberg - Ein Wochenende lang hatte eine der kleinsten Gemeinden des Kreises die größte Anziehungskraft von allen - die Freiwillige Feuerwehr von Leutstetten beging ihr einhundertjähriges Bestehen. Und weil es ausnahmsweise einmal ein Sonntag war, an dem es nicht regnete, ja, an dem sogar immer wieder die Sonne zum Vorschein kam, konnten die Ergebnisse der mühevollen Vorbereitungen alle zur rechten Geltung kommen. Brennen hätte es allerdings nirgends dürfen, denn in dreißig Gemeinden des Kreises - so viele Abordnungen waren zum Festzug gekommen - hatte nur ein Notdienst zu Hause bleiben müssen. Vielleicht weil Leutstetten eben doch nicht ein Ort von vielen ist immerhin hatte Prinz Ludwig von Bayern das Protektorat des Festes übernommen - wurde es auch nicht eine Hundertjahrfeier von vielen. Schon der Festabend, zu dem viele prominente Gäste gekommen waren:

Auf dem musikalischen Programm standen an erster und zweiter Stelle die Ouvertüre zum Kalif von Bagdad' und ein Mozart-Menuett. Es spielten das Orchester des Süddeutschen Verlags und eine Spielgruppe aus Leutstetten. Die Festrede hielt Paul Ernst Rattelmüller, der auch eine reizende Vignette für seine' Feuerwehr entworfen hatte, und der Oberhaupt sowohl die Ideen als auch tatkräftige Hilfe für den Ablauf des Festes beigesteuert hat (und durch den auch Funk und Fernsehen ihr Teil abbekamen). Seine wohlformulierte, sehr lebendige Festrede enthielt viele Einzelheiten über die Geschichte von Leutstettens Feuerwehr ...Man spürte, wie liebevoll alles zusammengetragen worden war. Aber auch an anderer Stelle spürte man die Liebe zur Sache, anders kann man es gar nicht nennen: Der vorher sicher nicht sehr einladende Stadel neben dem Gasthof Leutstetten hatte sich unter den geschickten Händen der Feuerwehr in ein gepflegtes weißblaues Festzelt'verwandelt, in dem die Musik der Unterbrunner Blaskapelle und des Spielmannszuges der Freiwilligen Feuerwehr München (es war der Spielmannszug"Bavaria" München), die am Sonntag erst ein Stand- und dann ein Festkonzert darbrachten, dröhnend von den Wänden widerhallte. Aber wer sich in der Unterhaltung mit dem Tischnachbarn heiser geschrien hat, greift um so lieber zum Bierkrug. Überhaupt, des Bayern flüssige Nahrung ... schon um Mittag soll der eine oder der andere nicht mehr ganz standfest gewesen sein, und als bei den Schauübungen der Starnberger Wehr, die natürlich Ehrengast war, einer auf der neumodischen ausfahrbaren Leiter stolperte, da war es schon gut, daß der Kreisbrandinspektor Kinzinger vorher gesagt hatte: Das ist eine Demonstration und keine Übung.' Aber es war doch Wasser, mit dem der angenommene Brandherd' gelöscht wurde, wenn es auch aus der Zuschauermenge scholl: ,Mei, de genga ja mit de Schweinswürstl zum Lösch'n!'

 

Zwei Ehrenmitglieder

Auf dem Festabend am Samstag, auf dem Prinz Rasso, der aktives Mitglied der Leutstettener Feuerwehr ist, seinen Bruder Ludwig vertrat, wurde vor 250 Gästen dem Bürgermeister Xaver Hirschbold und dem 82jährigen Franz Friesenegger, der 41 Jahre lang Zeugwart gewesen ist, von Kommandanten Peter Gugetzer die Ehrenmitgliedsurkunde überreicht. Es ist also nicht zuletzt Frieseneggers Verdienst, daß die Leutstettener beim Umzug in Uniformen von 1912 auftreten konnten: rote Paspeln an den Kanten der schwarzen zweireihig geknöpften Röcke, einen schweren Hanfgurt um die Mitte und auf Hochglanz gebrachte Messinghelme auf dem Kopf, der Kommandant natürlich noch mit einem weißen Haarbuschen obendrauf.

 

Triumphzug einer Spritze

Im Triumph führten sie die hundertjährige Spritze mit sich, der gewiß selbst im Deutschen Museum ein Ehrenplatz zukäme. Auf einem leichten Pferdewagen ruht ein rotbrauner Kasten mit einem gewaltigen Pumpengestänge darin, und hintendran gehängt wird noch die Schlauchrolle. Wenn man sich überlegt, wieviele große Brände auch vor hundert Jahren und bisher zu löschen waren - der Festredner hat einige von ihnen aufgezählt - dann kann man nur staunen, denn es sieht nicht so aus, als gingen mehr als fünf Bauernmilchkannen voll Wasser in diesen Löschkasten, der von einer gewaltigen, schwarz angemalten Sturmlaterne gekrönt wird. Die Feuerwehrler waren eben immer schon besonders tüchtige Leute. Und draufgängerische dazu. Eine Zuschauerin bei den Schauübungen erzählte einer anderen allerhand Geschichten von der Leutstettener und der Starnberger Feuerwehr. So auch von dem Kommandanten, der 's Gartentürl gar net lang aufmacht, der hupft einfach drüba ... Schön war's, gekonnt war's - die Hundertjahrfeier der Leutstettener Feuerwehr!"

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