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Haus im Wald

Kalt pfiff der Wind durch die Wipfel des Graubartwaldes, als der Blick auf die Lichtung frei wurde. Im trüben Licht des wolkenverhangenem Himmels zeigte sich ein Herrenhaus südländischen Stiles, das hier so fehl am Platz wirkte wie ein Wolf im Streichelzoo.

Der Weg zu dem Gebäude mit den abblätternden Putzfladen war nicht schwer gewesen. Die Schwierigkeit bestand darin, wieder von hier weg zu kommen. Doch das wußten die drei Abenteurer noch nicht. Fest entschlossen, dieses Gebäude auszuräumen, niederzureißen und anschließend weiterzuziehen gingen sie durch die schief in den Angeln hängende Gitterpforte, ohne zu ahnen, daß sie bereits erwartet wurden.

,,Also, hier währen wir. Sieht doch garnicht so verwunschen aus, das Haus.``

Der Sprecher war ein junger, in Grün gekleideter Elf. Man sah ihm und seiner Waffe an, daß er nicht oft in einen Kampf verwickelt wurde. Auch der Bogen in seiner linken Hand war beinahe noch neu.

,,Selten sehen verzauberte Gebäude auch verzaubert aus. Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Trottel das Wirken der Magie auf anhieb erkennen würde.``

Der zweite Elf sah aus, als habe er die letzten zwei bis dreihundert Jahre vornehmlich über Bücher gebeugt verbracht. In der Mitte seiner Kutte war die Rune der Luft zu sehen, was ihn als Illusionisten auswies.

,,Den Trottel nimmst Du sofort zurück. Das Leben wäre viel einfacher, wenn ihr Magier nicht immer so geheimnisvoll tun würdet.``

,,Kann diese Streiterei nicht einmal aufhören? Ich dachte immer, in dem Elfengeschlecht herrsche die große Einigkeit, aber ihr beiden seid ja schlimmer als Marktweiber.``

Der Dritte, der nun das Wort ergriffen hatte, war ein Mensch. Er trug eine ebenfalls neue Streitaxt, mit der er wohl auch noch nicht viel Erfahrung hatte. Die mehrfach gebrochene Nase und die etwas höhenversetzten Augen ließen jedoch darauf schließen, daß er sie bald bekommen würde. Doch dazu sollte es nicht kommen.

Als die seltsame Gruppe die Lichtung betrat, fuhr ein eigenartig heulender Wind in den Kamin. Im Keller angekommen, von jedem lebenden Wesen unbemerkt wirbelte er dicke Staubschwaden auf. Wie von einer eigenen Willenskraft bewegt formte der Staub mythische Runen, als er sich mit unheimlicher Geschwindigkeit wieder legte.

,,Was bleibt ihr zwei jetzt stehen? Es geht auf Mittag zu. Ich jedenfalls will hier nicht unbedingt übernachten.``

,,Vielleicht sollten wir da jetzt mal herumgehen und nach einem anderen Eingang zu suchen. Wenn da wirklich was drin ist, ist die Vordertür zu auffällig.``

,,Wenn da wirklich was drin ist, hat es uns längst bemerkt. Wenn nicht müsste es schon taub sein, dieses Gezänke zu überhören.``

Im Speicher fielen einige alte Balken um. Wie zufällig blieben sie so liegen, daß man im richtigen Licht Menschliche Konturen erahnen könnte.

,,Dennoch sollten wir uns zunächst umsehen. Und sei es nur, um einen Eindruck von der Stabilität des Bauwerkes zu bekommen.``

Mit übertriebener Vorsicht schlich der Elf in Grün einer Ecke des Hauses zu. Ihm folgten der schiefäugige Mensch mit seiner Axt in der Hand und anschließend der Illusionist. Behutsam lugten alle drei durch ein zerbrochenes Fenster in ein verstaubtes Zimmer.

,,Nichts ist da drinn. Nichts außer Ratten und sonstigem Ungeziefer`` klang es erleichtert von dem angehendem Waldläufer.

,,Na, da ist dein zweiter Eingang. Enderol wilst du dir als erstes beim Durchklettern die Hände zerschneiden? Ich denke wir nehmen lieber doch die Tür``

,,Wir gehen weiter Berolfas. Bei so einem Anwesen muß es doch zumindest einen zweiten Eingang geben.``

Im Speicher bewegten sich die Latten. Einige am oberen Ende Hängengebliebene Spinnweben nahmen im leichten Luftzug die Gestalt eines unförmigen Gesichtes an.

,,Na also. Hier haben wir den Liefreranteneingang. Mal sehen wie es drinnen aussieht.`` Ohne eine Erwiederung abzuwarten öffnete Berolfas die Tür und betrat das Haus.

Im Gebäude war alles ruhig. Nur einige auf kleine Nagetiere hinweisende Geräusche erklangen in dem alten Mauern.

,,Na also. Nichts los hier. Wenn etwas abgestaubt währe könnte es mir hier fast gefallen.``

,,Ich glaube kaum, daß es in dieser alten Küche etwas gibt, das sich zum ``Abstauben'' rentiert. Mach die Tür wieder auf und keil sie irgendwie fest.``

,,Die Türe - Sie geht nicht mehr auf.``

,,Was heißt ``geht nicht mehr auf''? Sie war doch vorhin so leicht``

,,Jetzt sitzt sie fest. Muß sich irgendwie verklemmt haben.``

,,Mach mal platz da!``

Berolfas nahm Anlauf. Als er sich gegen die Tür werfen wollte brach unter seinem Gewicht eine Bodendiele. Vom eigenen Schwung weitergetragen fiel er vorn über. Das im Spalt steckengebliebene Bein brach mit einem vernehmlichen Knacken.

,,Verdammt nochmal, muß gerade hier der Boden kaputt sein. Warum sind auch diese großen Häuser alle zu gut für einen anständigen Lehmboden?``

,,Halt mal ruhig. Endrol such irgendwas, um das Bein zu schienen. Ich hab da ein paar Kräuter gegen die Schmerzen. Hier, leg das auf die Wunde.``

Nach einigen, für Berolfas sehr schmerzlichen Minuten hatten sie es schließlißlich geschafft, eine stabile Schiene an das Bein zu binden. Nur noch mit dem Ziel, die vordere Tür zu erreichen nahm die beiden Elfen den verletzten Mensch in die Mitte un schleppten ihn vorwärts. Als sie etwa die Hälfte der Eingangshalle durchquert hatten bemerkten sie ein merkwürdiges Klappern auf der nach oben führenden Treppe. Alle drei blickten sich fast gleichzeitig um und wünschten sich sofort, sie hätten es nicht getan. Was da die Treppe herunterkam war eine Voglscheuche. Ein hastig zusammengezimmertes Lattenschreckgespenst, dessen Konturen die Verhöhnung der menschlichen Gestalt waren.

,,Was in drei teufels Namen ist das da?``

,,Is doch uninteressant. Schnell zur Tür.``

,,Die ist auch verschlossen.``

Schnell ergriff Endrol seinen Bogen und schoß einen Pfeil in Richtung des seltsamen Wesens. Er traf. Der Pfeil bohrte sich tief in eine Planke des Lattenmonsters. Doch anstatt irgendeinen Schaden anzurichten vereinigte sich der Pfeil mit dem Holzkörper und wurde ein Teil desselben. Währenddessen schrieb Esterden, der Zauberer, voller Panik einige magische Symbole in die Luft, worauf der Boden vor der Schreckensgestalt zu Leben begann. Dünne Fäden wuchsen hoch und schienen das lebende Lattengerüst ergreifen zu wollen. Das Monster jedoch schritt einfach hindurch, ohne innezuhalten. Esteren schrie gequält auf.

,,Dieses verdammte Ding ist immun gegen Illusionen.``

Endrol griff sein Jagdmesser und stürzte sich damit ohne groß nachzudenken auf das Monster. Mit der volkommen ungeeigneten Waffe hieb er auf das Lattengerüst ein und schafte es sogar, einen fingerlangen Span herauszubrechen, bevor er von einer Holzplanke erfasst und quer durch den Raum geschleudert wurde. Voller Panik versuchte er nun, durch ein Fenster zu klettern. Bereits halb entkommen wurde er von plötzlich zuklappenden Fensterläden in den Raum zurückgeworfen.

,,Versucht Ihr beide zu entkommen. Ich halte den Holzstapel auf.``

,,Du kannst doch nicht mal selbst Stehen. Wie willst du den aufhalten?``

,,Mit etwas Glück ist der zu langsam für mich. Los schon.``

Unfähig noch einen klaren Gedanken zu fassen liefen die beiden Elfen die nahegelegene Treppe hinunter. Bereits nach wenigen Stufen hörten sie Berolfas letzten Schrei.

,,Was ist, wenn da unten auch so ein Ding ist?``

,,Nicht Denken! Laufen!``

Im Keller war die Luft so Staubig, daß das Atmen schwer fiel. Esterden spürte, wie sein Körper austrocknete, und die ihn so verlassende Lebensenergie irgendeinem unsäglichen magischen Experiment zufloß.

,,Wir müssen - weg hier. - Der Holzmann hatte - nur die - Aufgabe, uns hier herunter zu - ....``

Danach lagen nur noch zwei weitere vertrocknete Mumien im Staub des Kellers.


Johannes Bretscher

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